Juni 1874 – Joseph Rubinstein

Josef Rubinstein, der sich schon in Tribschen Wagner „bedingungslos zur Verfügung“ gestellt hatte, wird in Wahnfried – neben seiner Tätigkeit in der „Nibelungenkanzlei“ – zum stets abrufbaren „Hauspianisten“. Cosima und Richard sind dabei sehr launenhafte Zuhörer. Sie sparen nicht mit Lob: Rubinstein spielt „zu unserem großen Vergnügen“, er „zeichnet sich aus“ vor den Gästen und R. freut sich über „Rubinsteins Talent“. – Das Lob kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass beide „ihren Macedonier“ – so Cosimas Ausdruck für den Juden – immer auch mit dem Blick ihrer antisemitischen Obsession sehen: Von Liszt hat sich Rubinstein „auf jüdische Art“ als Klavierspieler „allerlei zu seinem Vorteil abgeguckt“ (Juni 1874). Manchmal sind beide über seinen „akzentlosen Vortrag“ verärgert, es fehlt die Empfindung für „das Volkstümliche“ (Dezember 1874). Und als Rubinstein „Kapriolen“ macht und „als Virtuose fungiert“, ist Wagner – ein eher mittelmäßiger Klaverspieler – so verärgert, dass das „Musizieren“ an diesem Abend ganz „unterlassen“ werden muss (Dezember 1874). – Immer bleibt Rubinstein, der „merkwürdige Mensch“, den keiner dazu „ermutigt“ hat, sich Wagner anzuschließen (November 1874). Die gefährliche Mischung aus Duldung und Ablehnung, Nützlich- und Lästig-Sein eskaliert bei einer der letzten Ring-Proben: Wagner setzt zu einer Lobrede auf Rubinstein an, bedauert, dass sich beide menschlich nicht näher gekommen sind, was nicht an ihm, sondern an Rubinstein und seiner „fremden, uns nicht näher stehenden Rasse“ liege und der beabsichtigte Dank artet „in eine böse Verstimmung“ aus (so Felix Mottl in seinen Erinnerungen). Rubinstein verlässt darauf hin Bayreuth und bewährt so „die traurigsten Eigenschaften seines Stammes“ (so Cosima am 13.7.1876). Im Mai 1878 kehrt Rubinstein nach Bayreuth zurück und nimmt alle Schuld für den Vorfall auf sich.